Zwischenbericht

(Ergänzung zum Jahresbericht vom September 2000)

Nepal, September bis Dezember 2000


(Dieser Bericht ist nur eine Ergänzung. - Ihr solltet zunächst den Jahresbericht vom September 2000 gelesen haben.)


Kurz nachdem ich im September den letzten Jahresbericht verschickt hatte, flog ich wieder nach Nepal.
Für etwa einen Monat hatte ich viel Spaß mit vielen Kindern; und es wurden immer mehr ! Ich hatte "Urlaub" und saß meist im Hotel; erlaubte den Kindern, auch schon vormittags zu kommen. Und wenn ich nicht am Computer saß, genoß ich die Sonne auf der Dachterrasse oder spielte mit den Kindern. Aber als immer mehr Kinder kamen, wurde sogar deren Betreuung zur "Arbeit". Jeden Tag brauchte ich alleine 2-3 Stunden nur für das Wechseln von Pflastern, die Versorgung von Wunden, Krätze und anderem. Daneben Hausaufgabenhilfe; und immer wieder das Ausgeben von Heften und Schreibwaren; und die Buchhaltung dazu.
Briefe schreiben, mails und Computer-Arbeit erledigte ich meist erst nachts, wenn die Kinder schon schliefen. - Und alle andere Arbeit schob ich vor mir her - und genoß die Zeit.
Viele Stunden verbrachte ich damit, die im Sommer in Indonesien eingerichtete Datei mit den "Akten" aller Kinder zu aktualisieren und auf den neuesten Stand zu bringen: Zu jedem Kind Namen und Arbeit der Eltern; wo er/sie wohnt oder lebt, die schon seit Jahren gesammelten Informationen zur schulischen, medizinischen, zahnmedizinischen und privaten Geschichte; und zu jedem Kind über die Videokamera ein aktuelles Paßbild. (Inzwischen sind dort über 180 Kinder, Jugendliche und erwachsene Ex-Kinder erfaßt. - Und das sind nur die, zu denen ich noch Kontakt habe!)

Gegen Ende Oktober mußte ich dann aber doch wieder zum "normalen Programm" zurückkehren; die Kinder durften erst ab 13 Uhr kommen. Denn die Zeit nach dem gemeinsamen Frühstück brauchte ich für meine eigene Arbeit, um Hotels und Agenturen zu besuchen, und alles für die Gruppen vorzubereiten.

Im November hatte ich genug zu tun: 2 Gruppen (von denen ich die eine fast vier Wochen lang begleitete; - die andere leitete Mahesh) und mehrere Einzelgäste (für die ich nur Hotels, Inlandsflüge u.a. buchte).
Ganz besonders freute mich, daß nach all den Jahren endlich auch mein Bruder einmal nach Nepal kam - und daß seine Reise so lag, daß ich vor und nach meinen Gruppen und vor und nach seinem Trekking die Tage in Kathmandu mit ihm und seinen Freunden verbringen konnte.

Die Ankunft der Gruppen war für mich und die Kinder ein Fest: Noch nie hatte jemand so viele Sachen für uns mitgebracht. Die meisten hatten ihr Freigepäck voll ausgenutzt und mit Kinderkleidung, Spielsachen, Stofftieren, Schreibwaren und Medikamenten aufgefüllt. Mit 5 Koffern, einigen Reisetaschen, einem Seesack und mehreren Pappkartons und kleinen Taschen war mein Zimmer ganz schön voll ! Und dann gab es ein "Fest" als ich an über 100 Kinder bis zu dreimal je 1 Stück Kleidung verteilen konnte.
Das Kinderheim bekam die ganz kleine Kleidung, die Armenapotheke im Krankenhaus bekam nicht nur viele Medikamente, sondern auch die zu große Kleidung, die sie an ganz arme Patienten und Unfallopfer verschenken, deren einzige Kleidung bei dem Unfall zerfetzt wurde.
Und ich selber habe genug Salben und Verbandmaterial für mindestens ein Jahr; kann davon sogar noch einiges mit nach Indonesien nehmen.

Doch nicht nur bei der Vorbereitung hatte die Gruppe sich ganz auf die Kinder eingestellt. Auch während ihres Aufenthaltes hatten die Kinder eine tolle Zeit. Sie wurden immer freudig begrüßt und viele durften bei Besichtigungen und Ausflügen mitgehen bzw. -fahren.

Nach Abreise der Gruppen rächte es sich, daß ich den Oktober "zu sehr genossen" hatte. All die Arbeit, die ich immer vor mir hergeschoben hatte, sollte ich jetzt in den verbleibenden zwei Wochen erledigen. - Was natürlich nicht ging.
So war ich viel unterwegs, in Büros, Krankenhäusern, Schulen und Heimen - und mußte doch alles, was nicht "unbedingt eilig" war, auf den Februar verschieben.
(Und auch die Schreibarbeit, die ich schon für Deutschland vorbereiten wollte, blieb unerledigt. All zu vieles, was ich schon in Nepal hatte schreiben wollen, mußte ich jetzt zu Hause tun - und werde mal wieder nicht fertig...)

Schulisch:
... gab es ein bißchen Ärger mit einigen Schülern, die nicht gut lernen oder die Schule schwänzen; und mit einer Mutter, die uns betrog und doppelt kassierte - und ab sofort gar kein Geld mehr von uns bekommen wird.
Zum Ausgleich durfte ich mich aber auch über gute Zeugnisse freuen; und konnte wieder einige neue, sehr vielversprechende Schüler/innen in unser Förderprogramm aufnehmen. (Der eine ist als Klassenbester sogar von den Gebühren befreit!)

Medizinisches:
Gleich zu Beginn lernte ich einen etwa Zehnjährigen mit schweren (alten) Verbrennungen und einer dadurch verkrüppelten Hand kennen. Die Chancen, diese Hand durch eine Operation zu verbessern, sind sehr gut. Durch meine guten Beziehungen gelang es mir, innerhalb nur einer Woche einen Operationstermin beim Plastischen Chirurgen zu bekommen. - Und dann verschwand der Junge, weil er sich mit anderen gestritten hatte und immer geneckt wurde! (Vermutlich ist er in der Gegend von Pokhara in sein Heimatdorf gegangen. Wenn er irgendwann wieder in Kathmandu auftaucht, werde ich ihn operieren lassen.)
Der inzwischen wohl etwa sechzehnjährige Rajkumar Maharjan* hatte sich nicht getraut, im Frühjahr nach meiner Abreise die endgültige Untersuchung seiner Beine machen zu lassen. So ließ ich ihm also jetzt unter örtlicher Betäubung ein Stück Muskel aus dem Oberschenkel operieren, das untersucht wurde. Nun steht also endgültig fest, daß er Muskel-Dystrophie hat, eine unheilbare Krankheit, durch die die Beine immer schwächer werden. - Doch nach 2 Monaten Vitamintabletten und täglichen Übungen sagen seine Freunde mir, daß er schon viel besser läuft und wesentlich seltener hinfällt.
- Und nun habe ich seit Anfang November ein etwa zehnjähriges Straßenkind mit vermutlich der selben Krankheit. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen; aber aller-höchstwahrscheinlich werde ich für ihn bald einen Heimplatz und früher oder später einen Rollstuhl brauchen.
Zwei Kinder brachen sich das Schienbein; einer den Unterarm. - Mit wie vielen Kindern ich wegen Magenschmerzen, Durchfall, Husten und anderen "Routine-Krankheiten" zum Arzt ging, will ich gar nicht nachzählen. (Obwohl natürlich jede/r einzelne in der Abrechnung steht und jedes Medikament in der Akte des jeweiligen Kindes vermerkt ist.)
Bei drei kleinen Operationen ließ ich Dipak* endlich die "Warze" (?) von der Unterlippe entfernen; Hire* ein dickes Hühnerauge vom Fuß; und Kumar* den kleinen Hautlappen von der Schläfe. (Eine Wucherung auf einer alten Narbe.) Zwei Kindern kaufte ich nach den entsprechenden Untersuchungen eine Brille.
Eine der vier Schwestern des blinden Namraj*, denen wir schon seit Jahren die Schule zahlen, ist vor einiger Zeit auf dem rechten Auge erblindet - und nun beginnt auch das linke Auge, kaputtzugehen. In Nepal kann man ihr nicht helfen; aber in Delhi kann man voraussichtlich beide Augen retten. Da der Vater früher in Indien arbeitete und sich dort etwas auskennt, kann ich ihn mit seiner Tochter dorthin schicken und hoffe, daß wir im Februar beide Augen reparieren lassen können. (Es ist ein seltsames Gefühl und ich kann mich noch nicht recht damit anfreunden: Normalerweise kaufe ich alles selber und kann jeden einzelnen Rupie selbst abrechnen - und nun muß ich diesen Leuten etwa 1200 Mark mitgeben und hoffen, daß sie das Geld gut verwenden und es ihnen unterwegs nicht gestohlen wird. - Aber ich werde es wohl trotzdem machen.)
Zwei Kinder mit früher einmal verletzten und nicht mehr voll beweglichen Fingern lasse ich schon seit Wochen (und auch jetzt, während meiner Abwesenheit) täglich in die Physiotherapie gehen.
Zwischendurch habe ich knapp 30 Kindern die ersten beiden Spritzen auf dem Weg zu einer 10-Jahres-Immunisierung gegen Tetanus geben lassen, über 70 Kindern prophylaktisch Medizin gegen Würmer gegeben, und bei ungezählten Kindern Krätze und Kopfläuse behandelt.

- und fünf Wochen später flog ich schon wieder dorthin ...

(Die * markierten Namen sind nicht die wirklichen Namen dieser Kinder.)

Wie es weiterging:

 


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